Gunter Heinrich
Botschafter der KIT-Initiative

Mobbing

Ist kein Kinderspiel

Die traurige Geschichte vom kleinen Jungen, 
der nie wieder zur Schule gehen wollte

Sofie, 12, schließt sich die ganze Pause über auf der Schultoilette ein. Lena, 14, ritzt sich heimlich die Haut auf. 
Seit Jonas, 9, die Schule gewechselt hat, werden seine Noten immer schlechter. Joël, 13, öffnet auf seinem Computer die Nachricht eines Mitschülers. Als er liest, was dieser geschrieben hat, läuft der Junge aus dem Haus und lässt sich von einem Zug überrollen. Eine pornografische Fotomontage auf Facebook, die ihn als „Schwuchtel“ vorführt, kostet ihn das Leben.

Mobbing-Attacken sind kein Kinderspiel: Jedes siebte Kind ist von ihnen betroffen und geht dabei durch die Hölle. Eltern, Lehrer und Pädagogen stehen dem Phänomen hilflos gegenüber. Bekannt sind ihnen oft nur Fälle, bei denen offene Gewalt herrscht, Schulsachen beschädigt oder gestohlen werden. Doch die Mobbing-Fälle häufen sich, in denen solche äußeren Anzeichen fehlen. Verbale Gewalt, die Verbreitung von Unwahrheiten und soziale Ausgrenzung wirken sich jedoch oft ebenso verheerend auf die Kinderpsyche aus. 
Steht das Opfer erst öffentlich am Pranger, gibt es kaum noch ein Entrinnen aus dem feingesponnenen Netz aus Sticheleien, Gerüchten und oft medienübergreifend lancierten Hetzkampagnen.

Die dunkle Seite sozialer Netzwerke

Cyber-Mobbing über „soziale“ Plattformen wie Facebook trägt erheblich zu dieser Eskalation bei: Weiterleitungen, geteilte Links, Kommentare, Fotos, Pinnwände, Videos und die Vernetzung der Nutzer führen zu einer rasant schnellen Streuung der virtuellen Inhalte. Fast jedes Kind über 12 Jahren kennt jemanden in seinem Bekanntenkreis, 
der über das Internet fertiggemacht wurde oder war selbst schon mal betroffen. Vor Computerbildschirmen wächst dann der Leidensdruck ins Unermessliche: Denn die Tränen, die im Netz geweint werden, sind echt.
Auch andere elektronische Medien wie E-Mails, Chatprogramme, Handys oder SMS tragen zur Verbreitung der Gerüchte bei: eine Fortsetzung des Terrors, dem sie in der Schule ausgesetzt sind. 
Schubsen, Klauen, Lästern: Die Täter beleidigen ihre Opfer oder bringen übers Internet - oft zuvor manipulierte – Fotos in Umlauf. Während sie selbst zumeist sogar anonym bleiben können, wird ihr Opfer lächerlich gemacht. 
Mit bleibendem Schaden: Was einmal online steht, ist schwer wieder zu löschen. Mobbing ist gnadenlos, einmal in Gang gesetzt, nährt es sich von seinen eigenen Grausamkeiten und kann monströse Ausmaße annehmen.
Scham-, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle führen dazu, dass sich viele Kinder nach den Angriffen zurückziehen und den Terror, dem sie täglich erdulden müssen, verheimlichen. Oft setzt sie auch der Täter unter Druck und verlangt ihnen Schweigen ab. Die Drohkulisse wächst. Viele Kinder hegen daraufhin Selbstmordgedanken, manche führen sie auch aus.

Statusgewinn durch Schikane

Rote Haare, ein ungewöhnlicher Dialekt, eine Brille, ein Klassenfahrt-Foto auf Facebook oder einfach neu in der Klasse: Die Auslöser für Hänseleien sind vielfältig und oft wenig aussagekräftig, denn die wahren Motive liegen
fast immer beim Mobber, welcher Macht ausüben und sich in der Gruppe profilieren will. 
Die täglichen Schikanen dienen ihm als Status-Gewinn und werden noch aufgestachelt durch sein Publikum, aktive Mittäter oder passive Mitläufer. 
Steigendes Konkurrenzverhalten unter Schülern, Verlust an elterlicher und pädagogischer Autorität, aber auch Casting-Shows im Fernsehen, die es legitim erscheinen lassen, Menschen nach Dieter-Bohlen-Manier vorzuführen, tragen zu dem feindseligen Klima bei. 
Ob im Schulbus, am schwarzen Brett oder auf dem Schulhof: Ausgrenzung und Hänselei machen auch in der realen Welt vor keinem Austragungsort halt und durchdringen die öffentliche Meinung, bis das Opfer in den Augen seiner Klassenkameraden zur geächteten Unperson geworden ist, die von Einladungen und Informationen ausgeschlossen und in der Klasse geschnitten wird. 
Die Angriffe treiben die Betroffenen in die Isolation: Auf einsamem Posten werden sie zunehmend schutzloser und bieten noch mehr Angriffsfläche für Aggressoren: Der Teufelskreis schließt sich.

Die Macht der anderen durchbrechen

Will unsere Gesellschaft wirklich in Kauf nehmen, dass manche Kinder leiden, nur weil sie zur Schule gehen müssen? Mobbing in der Schulzeit kann die Außenseiter einer Klasse lebenslang verfolgen. Doch allein kommen die Kinder aus dieser Abwärtsspirale nicht heraus.
Auch ein Schulwechsel stellt jedoch nicht immer eine Lösung dar: Die Opfer werden so oft noch unsicherer und laufen Gefahr, erneut ins Visier der Meinungsführer und damit in die Schusslinie zu geraten. Einer von zwei Klassenwechslern ist wiederholt betroffen. Schulrechtlich ist es schwierig, die Täter aus der Klasse zu nehmen. Und welcher Pädagoge nimmt solche Querulanten schon gern in die eigene Klassengemeinschaft auf? 
Daher sind Eltern und Erzieher angehalten, die Talfahrt zu beenden und etwas gegen die massive Verletzung kindlicher Persönlichkeitsrechte zu unternehmen. Besonders gefragt ist die Aufmerksamkeit der Lehrer: 
Zielen die Papierschwalben immer in eine Richtung, fliegt immer derselbe Schulranzen in der Klasse herum, richten sich abschätzige Sprüche immer an die gleiche Adresse, besteht akuter Handlungsbedarf.
Aggression in der Klasse sollte prinzipiell nicht toleriert werden. Ein sofortiges Eingreifen des verantwortlichen Pädagogen ist erforderlich, der hier klare Normen setzt: „Das läuft in meiner Klasse nicht.“

Allianzen für Außenseiter

Die Mechanismen des Mobbings sind genauestens zu kennen und im Kollektiv zu durchbrechen. Wobei nicht jedes Stänkern oder jeder Streit automatisch schon eine Indikation sein muss: Wenn jedoch ein Schwächerer einem überlegenen Einzelnen ausgesetzt ist oder jemand über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten systematisch attackiert wird, sind das ernste Warnsignale.
Ein so genannter Täter-Opfer-Ausgleich kann helfen, das Geschehene aufzuarbeiten. Manche der Angreifer nehmen das Gesprächsangebot wahr und zeigen sich einsichtig: Die Situation tut ihnen leid. 
Auch die Sensibilität des Lehrers für das Sozialgefüge der Klasse ist eine wichtige Voraussetzung. Die Opfer hingegen sollten ihr Schweigen brechen: Denn erst im Verborgenen können die Aggressoren ungestraft agieren.
Betreffen die Vorfälle eine ganze Schulklasse, nehmen im Idealfall alle Beteiligten an den Gesprächen teil. Dabei lässt sich der konkrete Fall diskutieren oder das Thema wird zunächst allgemein reflektiert.
Entscheidend ist, dass die Kinder selbst neue Regeln für den Umgang untereinander vereinbaren, Konflikte entschärfen und Lösungen für schwierige Situationen finden. Dabei können zum Beispiel Mediatoren, Paten, Streitschlichter oder Klassengerichte helfen, die sich einschalten, wenn es wieder einmal brenzlig wird. 
Ein Wir-Gefühl entsteht, das zukünftig niemanden mehr ausgrenzt.

Möglichkeiten werden Wirklichkeiten

Ob sich ein Kind als Täter oder Opfer wahrnimmt, entscheidet sich oft schon im Vorschulalter. Deshalb hat es sich der Heinrich von Feist Verlag zur Aufgabe gemacht, Kinder behutsam an mögliche Konflikte heranzuführen, gemeinsam mit ihnen neue Lösungsfindungsprozesse anzustoßen und sie schon früh gegen mögliche Anfeindungen zu stärken. 
„Die Geschichte vom kleinen Grashüpfer, der nicht mehr hüpfen wollte“ entstand in der jahrelangen Zusammenarbeit zweier Väter. Ein kleiner Grashüpfer, der an Körpergröße und Sportlichkeit hinter seinen Artgenossen zurücksteht, wird darin zum Helden. Anfangs durch ihren Hohn und Spott zurückgeworfen, findet er schon bald neue Freunde, von denen er lernt, sich zu behaupten. Ein starker Verbündeter ist der Wind, der ihm später überlegene Fähigkeiten verleiht. 
In liebevollen Zeichnungen und kindgerechten Worten wird veranschaulicht, wie man sich in der Gruppe Respekt verschafft – auch wenn man anfangs benachteiligt zu sein scheint. Das kindliche Selbstvertrauen wird gezielt aufgebaut.

Schwächen schwächen - Stärken stärken

Um die Natur von Akzeptanz und Ablehnung zu verstehen und sich damit wieder einen Platz in der Klassengemeinschaft zu sichern, bedarf es jedoch einer Sozialkompetenz, die Kinder erst noch erwerben müssen. 
Das Buch hält deshalb einfache Lösungen bereit, welche die kleinen Leser oder Zuhörer nicht überfordern. Auf der Basis eines pädagogisch durchdachten Konzepts werden Schwächen geschwächt und Stärken gestärkt.
Der Lernprozess vollzieht sich dabei eher intuitiv, in Gestalt einprägsamer Bilder und Worte, die Einlass in das kindliche Unterbewusstsein finden und dort den Keim für neue Handlungsoptionen legen. 
Dazu zählt auch eine Ermutigung zum Malen oder inspirierten Ausmalen. 
So lässt die schlichte Illustration einer Lupe im Anhang viel Freiraum für kindliche Wünsche und Größenfantasien. 
Die Botschaft: „Zeichne selbst, was Du später einmal in Groß sehen willst.“ Denn die Fähigkeit zu wachsen, hört nirgendwo auf.

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